Bedingungen im Lager

Lebensbedingungen und Zwangsarbeit

Die im Akdo Penig gefangen gehaltenen Frauen waren in sechs Baracken zu je etwa 115 Personen untergebracht. Bewacht wurden sie von bis zu 40 SS-Soldaten und 18 Aufseherinnen des SS-Gefolges. Der Alltag im Lager war durch katastrophale hygienische Bedingungen sowie eine unzureichende Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Kleidung geprägt. Durch die schlechten Lebensbedingungen breiteten sich in kurzer Zeit Ungeziefer und Krankheiten wie Tuberkulose und Typhus aus. Eine Zahnärztin und zwei Pflegerinnen aus den Reihen der Gefangenen waren bemüht, das Leid ihrer Mitgefangenen im Rahmen ihrer sehr beschränkten Möglichkeiten zu lindern. Eine ortsansässige Ärztin weigerte sich nach Sichtung der Zustände, im Lager zu praktizieren.

Mit Schreiben vom 11.03.1945 wandte sich der Kommandoführer Ebenhöh des Außenkommandos Penig aufgrund der hohen Krankenstandes (115 von 695) an das KZ Buchenwald. Hierzu liegt das Schreiben nur in englischer Übersetzung vor.

Das Lager besteht seit dem 15.1.1945 und umfasst 695 weibliche Gefangene. Krankheiten breiten sich erstaunlich aus. Für die Behandlung von Einzelfällen steht mir nur eine Zahnärztin zur Verfügung, die nicht als Expertin für die bestehenden Erkrankungen angesehen werden kann. Eine Zahnärztin kann die Einzelfälle nicht fachkundig beurteilen. Gegenwärtig befinden sich 115 weibliche Gefangene im Lazarett oder haben Schonung. Der Einsatz einer Ärztin ist daher sehr dringend, um die Gesundheitsbedingungen der Gefangenen etwas zu verbessern. In Anbetracht der Vielzahl von Krankheiten ist auch eine neue Medikamentenlieferung dringend erforderlich.

Schreiben des Kommandoführers

Abbildung 1: Abschrift eines Schreibens des Kommandoführers des Außenkommandos Penig, Josef Ebenhöh, an das Büro des Kommandanten des KZ Buchenwald vom 11.3.1945, ITS Bad Arolsen, Digital Archive, 1.1.5.0 / 82065012

 

Der Standortarzt der Waffen-SS Weimar, SS-Hauptsturmführer Gerhard Schiedlausky antwortete mit Schreiben vom 18.3.1945, dass die 1. Aufseherin angewiesen wurde, sich in Leipzig aus dem Häftlingspflegepersonal der HASAG eine geeignete Ärztin auszusuchen und dies nach dem Monatsbericht (Stärkemeldung) des Kommandoführers Ebenhöh vom 20.2.1945 auch erfolgte. Dort sind Margit Kallos als Ärztin sowie Erzsebet Ballasz und Margit Schreiber als Pflegerinnen aufgeführt. Dass es sich bei Margit Kallos um eine Zahnärztin handelt, würde aus der Stärkemeldung nicht hervorgehen. Zudem wird in diesem Schreiben auf ein Schreiben an die Betriebsleitung des Max-Gehrt-Werks verwiesen, das diesem Schreiben beigefügt wurde.

Schreiben des Standortarztes

Abbildung 3: Schreiben des Standortarztes der Waffen-SS Weimar, SS-Hauptsturmführer Gerhard Schiedlausky, an die Betriebsleitung des Max-Gehrt-Werks Penig vom 17.3.1945, ITS Bad Arolsen, Digital Archive, 1.1.5.0 / 82074433

 

In diesem Schreiben vom 17.3.1945 wird die Betriebsleitung darauf hingewiesen, dass u.a. das Beschaffen von Medikamenten Aufgabe des Werkes sei. Außerdem seien zur Behandlung von Häftlingen vom Stammlager die erforderliche Anzahl von Fachpersonal zur Verfügung gestellt worden. In diesem Falle wären eine Ärztin und zwei Pflegerinnen vorhanden. Außerdem sei zur Überwachung der gesamten lagerhygienischen und gesundheitlichen Belange ein SDG [Sanitätsdienstgrad, Anm. d. Verf.] verantwortlich (im Lager Penig SS-Sturmmann Gentzsch), der eigens hierfür nach dort abgestellt wurde.

In der Stärkemeldung vom 20.3.1945 des Kommandoführers des Außenkommandos Penig, Josef Ebenhöh, ist festgehalten, dass es keinen SDG gibt, sich die Bewachung aus acht Unteroffizieren und 32 Mannschaftsdienstgraden zusammensetzt und eine Ärztin und zwei Pflegerinnen vorhanden sind. Die Zahl der Häftlinge wird mit 694 angegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es 5 Todesfälle.

Monatsbericht

Abbildung 5: Monatsbericht des Kommandoführers des Außenkommandos Penig, Josef Ebenhöh, vom 20.3.1945 an den Truppenarzt Weimar-Buchenwald, ITS Bad Arolsen, Digital Archive, 1.1.5.1 / 5323077

 

Im Monatsbericht vom 20.3.1945 des Kommandoführers des Außenkommandos Penig, Josef Ebenhöh, an den Truppenarzt Weimar-Buchenwald finden sich plötzlich keine nennenswerten Schwierigkeiten bzgl. stationärer und ambulanter Behandlungen. Die allgemeine Hygiene sei gut und Fälle von Infektionskrankheiten gäbe es nicht.

Während es in Ravensbrück noch so etwas wie Geburtenblocks gab, gibt es keine Anzeichen dafür, dass es im Außenlager Penig gesonderte Areale für oder eine angepasste Behandlung schwangerer Frauen gab. Dabei waren laut Angaben der Lagerärztin am 20. März 1945 vier im fünften Monat schwangere Frauen im Lager.

Täglich mussten die völlig entkräfteten Zwangsarbeiterinnen den vier Kilometer langen Weg zum Gelände des Max-Gehrt-Werkes in der Peniger Uhlandstraße zu Fuß zurücklegen. An sieben Tagen in der Woche arbeiteten die meisten von ihnen in drei Schichten zu je acht Stunden, wobei keine Pausen vorgesehen waren. Die Zwangsarbeit bestand hauptsächlich aus der Herstellung von Flugzeugkleinteilen für die deutsche Rüstungsindustrie. Einzelne von ihnen wurden darüber hinaus auch für Übersetzungstätigkeiten, Schreib- oder Küchenarbeiten eingeteilt.

In einer Liste von Zu- und Abgängen unbekannten Datums sind drei Zugänge (eine Ärztin und zwei Pflegerinnen aus Leipzig, HASAG) und sieben Todesfälle vermerkt.

 

In den vorliegenden Arbeitseinsatzberichten vom 1.3.1945 bis 26.3.1945 sind Daten wie Gesamtstärke, Zahl der SS-Bewachung und Aufseherinnen, Zahl der Häftlingsfach- und Häftlingshilfsarbeiter und deren Arbeitszeiten sowie die Zahl der Frauen, die nicht arbeitsfähig waren, vermerkt.

Aufgrund der fürchterlichen Lebensbedingungen, der Mangelernährung und der fehlenden medizinischen Versorgung verbunden mit der Zwangsarbeit kam es dazu, dass zeitweise ein Siebtel der eingesperrten Frauen nicht arbeitsfähig war. Mindestens vierzehn Frauen starben im Lager und wurden innerhalb des Lagergeländes verscharrt.

Abschließend lassen wir auch hier einige der Frauen, die diese Verbrechen überlebten, zu Wort kommen lassen:

Vera Hoffmann am 5.Juli 1945: Die Fabrik war 4 km vom Lager entfernt. Wir mussten diesen Weg täglich zweimal zu Fuß gehen. Wir haben 8 Stunden am Tag stehend an Maschinen gearbeitet. Die Aufseherinnen haben uns geschlagen. Als Verpflegung erhielten wir einmal täglich 1/2 Liter Rübensuppe und 12 dkg Brot. Ich war zu dieser Zeit sehr schwach und krank. Als ich mich trotz der geringen Anzahl von arbeitsfähigen Häftlingen wegen Krankheit bei der Aufseherin gemeldet habe, sagte sie, ich sei nicht krank und hat mich mit ihrer Peitsche geschlagen. Sie hat dies mehrmals auch mit anderen getan. Meine Wunden wurden durch den Mangel an Vitaminen eitrig und ich musste mich hinlegen.

Zu- und Abgangsliste

Abbildung 7: Arbeitseinsatzbericht des Häftlingskommandos Gerth Penig vom 26.3.1945, ITS Bad Arolsen, Digital Archive, 1.1.5.0 / 82073929

 

Rózsa Hercog am 19.Juli 1945: In Penig war ein kleines Lager, in dem 700 Personen in Holzbaracken, von der Stadt 4 km entfernt, wohnten. Ich war schon so sehr schwach, dass ich nicht arbeiten wollte, aber ein SS-Mann sagte: “Arbeite oder stirb!”Wir arbeiteten in einer Flugzeugersatzteilfabrik, täglich 8 Stunden. Die ganze Zeit musste man an der Maschine stehen, und nach der Arbeit noch 4 km Fußweg zurück, morgens ebenso viel. Die Behandlung war grausam, SS-Frauen und -Männer haben uns auf dem Weg begleitet und sie haben uns unterwegs mit dicken Geißeln geschlagen. Unzählige sind abgemagert. Dann waren wir schon so sehr schwach, dass wir bei einem Schlag hinstürzten. Man hat uns dann auch geschlagen, als wir uns die Hände gewaschen haben.Die russischen Männer gaben uns manchmal heimlich ein wenig Lebensmittel, weil die anderen Häftlinge mehr kriegten, als die Juden.

Aranka Pollák am 12.Juli 1945: Wir arbeiteten In einer Flugzeugersatzteilfabrik täglich 8 Stunden. Die Fabrik lag aber 4 km entfernt vom Lager, und diesen Weg mussten wir rennend schaffen, weil die SS-Leute uns angetrieben und geschlagen haben. Die Meister in der Fabrik waren gutmütig, wenn sie Gelegenheit dazu hatten, haben sie uns einige Lebensmittel gebracht. Diese waren Kommunisten. Infolge der mangelhaften Ernährung bekamen wir oft allerlei Art von Furunkel und andere Hautkrankheiten, ich hatte am Kopf ein Karbunkel, den man ohne Betäubung herausschnitt. Es hat ständig wehgetan, und auch das Herz ist mir schwach geworden. Ich war sehr schwach, ich rang nach Atem, hatte auch Fieber, doch man hat mich ununterbrochen zur Arbeit angetrieben.

Mária Weisz am 4.Juli 1945: Ich habe in einer Flugzeugfabrik gearbeitet. Ich musste den ganzen Tag an einer Maschine stehen. Wir sind jeden Tag 8 km vom und zum Arbeitsplatz gelaufen. SS-Frauen und SS-Männer waren die Aufseher, sie haben uns ohne Grund sehr geschlagen, einfach aus Vergnügen.Ein Waschraum wurde erst in den letzten zwei Wochen gebaut, aber zu dieser Zeit hatten wir schon alle Läuse. Viele wurden krank, eine Typhusepidemie ist ausgebrochen. Die Kranken wurden von einer jüdischen Ärztin versorgt, die sie ziemlich gut behandelte.

Klára Rosenberg am 12.Juli 1945: Wir mussten 8 km pro Tag zu unserem Arbeitsplatz laufen. Man kann sich vorstellen wie ein Frauen-Arbeitslager ohne Wasser und Wasserleitungen ausgeschaut hat. Im Winter haben wir Schnee angewärmt, um uns zu waschen. Wir konnten nur heizen, wenn wir Holz und Kohle gestohlen haben. Natürlich haben Viele Läusen bekommen. Wir mussten viel Appell stehen. Als wir über Nacht gearbeitet haben, mussten wir den ganzen Tag Appell stehen, so dass wir nicht schlafen konnten und alle erschöpft waren.

Edith Freundlich am 18.Juli 1945: In Penig haben wir in einer Flugzeugteilefabrik gearbeitet. Das bedeutete täglich 8 km Fußweg hinauf auf den Berg. Die Arbeit war hart, wir wurden angetrieben und misshandelt. Die Verpflegung war schrecklich. Wenn jemand um Essen bat, wurde sie geschlagen. Eine SS-Frau schlug mit einer Dose auf meinen Kopf ein, weil ich um Essen bat. Wir hatten viele Tote, die meisten starben wegen des schrecklichen Hungers an Typhus und an Schwäche.

Jólan Grossmann am 11.Juli 1945: Wir sind jeden Tag 8 km zu unserem Arbeitsplatz gegangen. Dennoch hatten wir hier etwas leichteres Schicksal gehabt. Zweimal täglich erhielten wir verdünnte Suppe, 20 Deka Brote und 1 Deka-Margarine. Wir haben schwere körperliche Arbeit geleistet und wegen schlechter Versorgung viel gehungert. Oft haben wir Gras gegessen. Vor allem junge Menschen sind hier in großer Zahl verstorben. Die SS waren ständig brutal. Vor allem ein Wachmann namens Adolf war mit uns grausam. Manchmal wurde uns sogar die kleine Suppe weggenommen.

Helen Stern am 24. Juni 1945: Es wurde in drei Schichten gearbeitet, und zwar morgens ab 6 Uhr bis nachmittags 2 Uhr, ab 2 Uhr bis abends 10 Uhr und ab abends 10 Uhr bis zum anderen Morgen 6 Uhr. Wir arbeiteten unter Aufsicht von SS-Frauen und -Soldaten, die mit uns sehr streng umgegangen sind. Der Weg bis zur Fabrik betrug 7 km, und die Versorgung war sehr spärlich, darum sind viele schon während der Arbeit vor Schwäche umgefallen. Man hat sie geprügelt oder ihnen die Haare abgeschnitten.