Entstehung des Lagers

1. Vorgeschichte

Da aufgrund der drohenden militärischen Niederlage Nazideutschlands alle wehrfähigen Männer und damit der Großteil der arbeitsfähigen Männer in die Wehrmacht eingezogen wurden, entstand im gesamten Reich ein akuter Mangel an Arbeitskräften für die Rüstungsindustrie. Die Nationalsozialisten setzten daher zunehmend Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen ein, so auch im Max Gehrt-Werk.

Im Jahr 1944 wurde die Peniger Betriebsstätte des eigentlichen Rohproduktionshandels Max Gehrt in ein Rüstungsunternehmen umfunktioniert. Flugzeugkleinteile für die Junkers Flugzeug- und Motorenwerke AG (JFM), mit Sitz in Dessau, wurden hergestellt. Ob und in welchem Maße die damaligen Firmeninhaber bei dieser Umrüstung mitwirkten oder diese von nationalsozialistischen Stellen angeordnet wurde, ist bisher ungeklärt.

2. Entstehung des Barackenlagers in Langenleuba-Oberhain

Die Arbeitskräfte im Max Gehrt-Werk reichten nicht aus, um die Produktionsziele zu erreichen. So wurde im Sommer 1944 durch das Werk die Planung eines Barackenlagers für Zwangsarbeiterinnen in der Nähe einer Sandgrube in Langenleuba-Oberhain auf den damaligen Flurstücken 878, 879, 885, 888 und 889 am heutigen Standort der Pferdesportanlage der Reit- und Fahrsportgemeinschaft Langenleuba-Niedersteinbach für 900 Mann in Auftrag gegeben. Dazu liegt ein als geheim eingestufter Lageplan vom 15.08.1944 vor (Abbildung 1).

Geplant waren für das Barackenlager in Langenleuba-Oberhain zwei Unterkunftsbaracken Typ BFH 10/34 (Breite: 12,50 m, Länge: 42,50 m), fünf Unterkunftsbaracken Typ RL IV/5 (Breite: 8,14 m, Länge: 33,15 m), eine Wirtschaftsbaracke Typ RL IV/5 (Breite: 8,14 m, Länge: 33,15 m), eine Waschbaracke Typ RL IV/4 (Breite: 8,14 m, Länge: 26,55 m) und drei Abortbaracken Typ RL IV/a (Breite: 8,14 m, Länge: 3,50 m). Für eine spätere Erweiterung war eine weitere Unterkunftsbaracke Typ RL IV/5 im Lageplan vorgesehen.

Gemäß einer vorliegenden Luftbildaufnahme der US-amerikanischen Armee vom 10.04.1945 (Abbildung 2) ist ersichtlich, dass letztlich anders gebaut wurde als geplant. Nicht errichtet wurden die beiden Unterkunftsbaracken Typ BFH 10/34. An einem der geplanten Standorte ist ein Fundament ersichtlich. An dem Standort, der ursprünglich für eine spätere Erweiterung vorgesehen war, wurde diese Unterkunftsbaracke Typ RL IV/5 aufgebaut. Die Ziffer hinter dem Schrägstrich bezeichnet die Länge der Baracke. Entsprechend der Aussagen von überlebenden Zwangsarbeiterinnen fehlte bis in die letzten Wochen des Bestehens des Lagers eine Wasserversorgung. Gesichert wurde das Lager mit sechs Wachtürmen und einem Elektro-Stacheldrahtzaun.

Lageplan

Abbildung 1: Lageplan des Frauen-Außenlagers Penig, September 1944. Quelle: Sammlung Gedenkstätte Buchenwald

 

Der Aufbau des Barackenlagers erfolgte wahrscheinlich durch sogenannte sowjetische Hilfswillige (HiWi). Diese „Hilfswilligen“ waren Hilfskräfte innerhalb der deutschen Wehrmacht und der SS, die aus den Reihen der Bevölkerung in besetzten Ländern rekrutiert wurden. Nach dem Überfall auf die Sowjetunion im Sommer 1941 bestanden sie mehrheitlich aus ehemaligen sowjetischen Soldaten, die anfangs innerhalb deutscher Formationen der Wehrmacht zu Schanz- und anderen Arbeiten eingesetzt wurden.

Für die Männer bot sich damit eine Möglichkeit, den katastrophalen Bedingungen in den Gefangenenlagern zu entkommen und zu überleben. Unter den Bedingungen eines „Vernichtungskrieges“ ist es jedoch schwierig, zwischen tatsächlich vorhandener, freiwilliger Kollaborationsbereitschaft und einer Zwangsarbeit zu differenzieren. In der Praxis dürften unterschiedlichste Beweggründe eine Rolle gespielt haben, vor allem der Wunsch nach besseren Überlebenschancen und Lebensbedingungen. Eine wissenschaftliche Untersuchung dieser Aufbauzeit des Lagers mit den dazugehörigen Beteiligten steht noch aus.

Luftbildaufnahme

Abbildung 2: Luftbildaufnahme vom 10.04.1945. Quelle: Luftbilddatenbank Dr. Carls GmbH

 

3. Der Holocaust in Ungarn

Nachdem Ungarns Premierminister László Bárdossy im Juni 1941 der UdSSR den Krieg erklärt und Ungarn sich dem deutschen Krieg gegen die Sowjetunion angeschlossen hatte, wurden bis zu 50.000 von den Nationalsozialisten als Juden definierte Menschen, die in Ungarn vom Militärdienst ausgeschlossen waren, als Zwangsarbeiter an die Ostfront geschickt. Nach dem großen Durchbruch der Sowjetarmee bei Rostow am Don im Januar 1943 löste sich die 2. Ungarische Armee auf und floh in Panik. Bei diesem Rückzug starben schätzungsweise mindestens 40.000 Menschen.

Anfang März 1944 wurde in Berlin die Besetzung Ungarns („Fall Margarethe“) beschlossen. Als Argument für diesen Schritt diente von deutscher Seite unter anderem die vorgebliche Sabotage der sogenannten „Endlösung der Judenfrage“ durch die ungarische Regierung. Bei Beginn der deutschen Besetzung Ungarns am 19. März 1944 waren bereits etwa 63.000 als Juden definierte Menschen den Verfolgungen zum Opfer gefallen.

Einige Tage vor der Besetzung, am 12. März 1944, begann Adolf Eichmann, Leiter des „Judenreferats“ im Reichssicherheitshauptamt (RSHA), in Mauthausen die Vorbereitungen zum Aufbau des Sondereinsatzkommandos zur Vernichtung der ungarischen Juden. Am 22. März wurde eine neue Regierung mit Döme Sztójay als Premierminister aufgestellt. Sie bestand aus extremen Befürwortern des Nationalsozialismus, bereitwilligen Kollaborateuren mit Deutschland bei der Ausführung der erdachten „Endlösung“.

Am 15. Mai 1944 begannen in Nordostungarn die Deportationen nach Auschwitz, mit täglichen Transporten von zwei- bis dreitausend Personen. Bis zum 9. Juli 1944 wurden insgesamt 437.402 Menschen deportiert. Etwa 95 Prozent der Deportierten wurden nach Auschwitz geschickt, wo unter Lagerkommandant Rudolf Höß großangelegte Vorbereitungen für ihren Massenmord getroffen worden waren. Als "arbeitsfähig" eingestufte Menschen wurden auf 386 Außenlager in den von Deutschen besetzten Gebieten und im Deutschen Reich verteilt.

Nach dem Abschluss der Deportationen aus den ungarischen Provinzen liefen die Vorbereitungen zur Deportation der Budapester Juden. In etwa 2.000 Budapester Häusern, die mit einem gelben Stern gekennzeichnet worden waren, sollten gemäß einer Verordnung des Innenministeriums vom 15. Juni 1944 etwa 220.000 Juden untergebracht werden.

Im August 1944 schien sich die Lage zunächst zu bessern, als die Regierung unter Sztójay von Horthy entlassen und durch eine weniger deutschfreundliche Regierung unter General Géza Lakatos ersetzt wurde. Lakatos blieb jedoch nur anderthalb Monate im Amt, bis am 15. Oktober die faschistische Pfeilkreuzlerpartei unter Ferenc Szálasi die Macht ergriff. Nachdem Eichmann am 24. August aus Budapest abgereist war, kehrte er am 17. Oktober zurück und nahm die Maßnahmen zur Deportation der Budapester Juden wieder auf. Diese wurden nun in zwei Gruppen aufgeteilt: Die Mehrheit wurde in einem zentralen Ghetto in Erzsébetváros eingeschlossen, während ein kleiner Teil in Häusern und Quartieren leben musste, die unter dem Schutz neutraler Staaten standen.

Auf Befehl Adolf Eichmanns verlangten der deutsche Botschafter in Ungarn, Edmund Veesenmayer, und der SS-Vertreter Otto Winkelmann am 17. Oktober 1944 vom neuen ungarischen Innenminister Gábor Vajna die Überstellung von sogenannten „Leihjuden“ ans Dritte Reich. Tags darauf erklärte sich die neue Regierung unter Szálasi bereit, dem Dritten Reich bis Kriegsende weitere 50.000 jüdische Männer und Frauen als Arbeitssklaven für die Rüstungsindustrie zur Verfügung zu stellen. Insgesamt betrug die Zahl der bis zum 1. Dezember 1944 ausgelieferten „Leihjuden“ schließlich 76.209.

Von den 825.000 Personen, die in Ungarn innerhalb der Grenzen von 1941 bis 1945 lebten und als Juden angesehen wurden, kamen im Holocaust etwa 565.000 ums Leben, während 260.000 die Kriegsjahre überlebten.

4. Verschleppung nach Penig

Von Budapest nach Ravensbrück

Die 703 in das Außenlager Penig verschleppten Mädchen und Frauen gehörten zu den 76.209 „Leihjuden“.

Ihr Weg nach Penig verlief individuell unterschiedlich, doch lassen die vorliegenden Aussagen von Überlebenden grundsätzliche Aussagen zu.

Die Frauen und Mädchen lebten im Oktober/November 1944 — vor ihrer Deportation in das Frauen-KZ Ravensbrück — im Budapester Ghetto und arbeiteten in Rüstungsbetrieben, einige von ihnen mit sogenannten Schweizer oder schwedischen Schutzpässen. Diese sollten die Budapester Jüdinnen und Juden unter internationalen Schutz stellen. Tausende Schutzbriefe stellten die Schweizer Diplomaten Carl Lutz, Harald Feller und Friedrich Born und der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg, aber auch Diplomaten anderer Ländern aus. Bis Ende 1944 standen 22.000 Budapester Juden unter diplomatischem Schutz neutraler Staaten oder des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Doch dieser diplomatische Schutz half diesen Frauen und Mädchen nicht.

Ein kleinerer Teil der Frauen wurde am 23. Oktober 1944 aufgerufen, sich am KISOK-Sportplatz einzufinden. Sie wurden zu Zwangsarbeiten u.a. an Budapester Befestigungsanlagen verpflichtet. Die gesamte männliche jüdische Bevölkerung Budapests zwischen 16 und 60 Jahren wurde ebenfalls dazu gezwungen. Nach etwa drei Wochen wurden diese und andere Frauen in der Ziegelfabrik „Obuda“ gesammelt. Von dort brachten sie die Pfeilkreuzler, Anhänger der faschistischen und antisemitischen Partei Ungarns, zu Fuß ins etwa 170 km entfernte Hegyeshalom/Zurndorf, zwei Grenzorte zwischen Ungarn und Österreich (damals Deutsches Reich). Dort am 1. Dezember angekommen, wurden sie von der deutschen SS übernommen, in Viehwaggons oder Personenwagen gesteckt und ins Frauen-KZ Ravensbrück gefahren, wo sie am 9./10.Dezember 1944 eintrafen.

Bei den meisten Frauen dürfte sich die Deportation nach Ravensbrück wie folgt zugetragen haben. Im Zeitraum vom 25. November bis zum 1. Dezember drangen Pfeilkreuzler in die Häuser ein, in denen die Frauen lebten, holten die zwischen 16 und 40 Jahre alten Frauen aus ihren Wohnungen heraus und schafften sie zur Ziegelfabrik „Obuda“. Die dort gesammelten Frauen wurden zum Bahnhof Józsefváros (Josefstadt) gebracht und am 1./2. Dezember zu jeweils 70-80 Personen in Viehwaggons gesteckt. Der Transport ging auch hier nach Hegyeshalom/Zurndorf, wo die Frauen aussteigen mussten, von der SS übernommen wurden und in einen anderen Zug steigen mussten. Viele der Frauen berichten von Personenzügen bzw. Pullmanwagen, andere von Viehwaggons. So ging es nach Ravensbrück mit Ankunft am 9./10. Dezember.

Möglicherweise trafen in Hegyeshalom/Zurndorf beide Gruppen aufeinander. Unabhängig davon, wie die Frauen nach Ravensbrück kamen, der Weg dahin war von fürchterlichen Bedingungen geprägt, was die folgenden Auszüge von Aussagen gegenüber dem Deportáltakat Gondozó Országos Bizottság DEGOB (Nationalkomitee für die Deportierten) eindrücklich widergeben:

Katalin Boros berichtete am 17.Juli 1945: Wir haben kein Essen bekommen und wir hatten auch keine Schlafplätze. Wir haben am Marktplatz unter freiem Himmel geschlafen. Und in Szöny haben wir mit Kühen und Pferden zusammen geschlafen … Dunaszeg war unsere nächste Station, wo wir in einem Schweinestall untergebracht waren. In Hegyeshalom hat man uns schließlich einwaggoniert. Wir waren etwa 114 Menschen in einem Waggon. Eine Frau ist unterwegs verstorben. Die Leiche hat man erst nach 2 Tagen entfernt.

Rózsa Hercog sagte am 19.Juli 1945 aus: Dann sind wir noch drei Wochen lang in Ungarn hin- und hergeschleppt worden. Dann mussten wir zum Ende zur Wiener Landstraße und dann bis Zurndorf zu Fuß gehen. Wir sind ständig unter freiem Himmel gegangen, haben bei Regen und im Schlamm geschlafen. Es war nur selten möglich, uns zu waschen, man gab uns kaum etwas zu essen. Wir sind vollkommen zerlumpt und kaputt in Zurndorf angekommen.

Helen Stern gab am 24.Juni 1945 zu Protokoll: An einem Tag sind wir plötzlich in Eisenbahnwaggons gesteckt worden. Wir durften unser Gepäck mitnehmen. Ca. 80 Personen waren in einem Waggon zusammengedrängt, wir litten enorm an Durst, weil wir kein Wasser herbeischaffen konnten. Es gab ebenfalls kein WC. Leider gab es auch viele Todesfälle, hauptsächlich unter den Älteren und Schwächeren.

Magda Szemere berichtete am 2.Juli 1945: … wir gingen ohne Ausrüstung in die Ziegelfabrik Obuda. Von dort sind wir bis nach Hegyeshalom gelaufen, ungefähr 35-40 Kilometer pro Tag. Wir bekamen zweimal täglich Suppe, etwas Brot. Wir konnten nicht mehr gehen, brachen auf der Straße zusammen, aber die Pfeilkreuzler schlugen uns bis wir weitergingen. Viele meiner Kameradinnen, unter denen ich viele Bekannte hatte, starben auf der Straße. Es ist auch noch eine Ruhr- und Typhusepidemie ausgebrochen.

Vera Hoffmann informierte am 5.Juli 1945: Die Gruppe, in die ich eingeteilt war, wurde zur Ziegelfabrik gebracht, und von dort am nächsten Tag zum Bahnhof Jozsefváros. Zehn Tage lang sind wir im verschlossenen Viehwaggon gefahren. Unterwegs haben wir nicht ein einziges Mal Essen bekommen. Wir flehten um Wasser, ein wenig Essen hatten wir noch von Zuhause. Als der Zug längere Zeit irgendwo stehenblieb, sind Bauern zum Zug gekommen und haben uns für teures Geld ein Glas Wasser gegeben.

In Ravensbrück

Im völlig überfüllten Frauen-KZ Ravensbrück erwartete die Frauen die Hölle. So oder so ähnlich beschreiben die Frauen ihre mehr als dort verbrachten vier Wochen.

Gleich nach deren Ankunft wurde ihnen das mitgeführte Hab und Gut einschließlich der Kleidung weggenommen, sie wurden geduscht und kahlgeschoren, bekamen Häftlingskleidung und wurden, da keine festen Unterkünfte zur Verfügung standen, in einem Zelt untergebracht. Bei eisiger Kälte, bei Regen und Schnee, ohne sanitäre Einrichtungen (die Notdurft wurde in Eimern verrichtet), katastrophaler Verpflegung und auf nackten Ziegelboden schlafen müssend, hausten bis zu 4.000 Frauen acht bis zwölf Tage in diesem Zelt. Die tägliche Lebensmittelration bestand morgens aus einem halben Liter bitteren, dünnen schwarzen Kaffee, mittags aus einer geschmacklosen Rübensuppe und 100 bis 300 g Brot sowie abends erneut aus verdünntem Kaffee oder einer oft ungesalzenen Wassersuppe und etwas Käse, selten Wurst.

Constanze Jaiser schrieb in „Frauenlager Ravensbrück – Selbstbehauptung zwischen Leben und Tod“:

Neben willkürlichen (Prügel)Strafen und Gewalt war das Appellstehen ein maßgebliches Folterinstrument. Mehrmals täglich mussten die Frauen zum Appell antreten. Sie mussten bei Wind und Wetter im Freien stehen, ohne sich zu bewegen und zu reden, wurden dabei gezählt und von dort in Arbeitskommandos eingeteilt. Stundenlanges Appellstehen mit Nahrungsentzug setzte die SS auch als Kollektivstrafe ein ... Wegen der Überfüllung des Stammlagers stellte die SS im Spätsommer 1944 zwischen den Baracken ein etwa 50 Meter großes Zelt als provisorische Unterbringung auf - vor allem für die in Massen ankommenden Frauen aus Auschwitz, Warschau und Ungarn. Teils mussten bis zu 4.000 Häftlinge im Zelt leben. Durch Überbelegung, Unterkühlung, kaum Nahrung und fehlende hygienische Bedingungen führte die SS jeden Tag den Tod Dutzender Häftlinge herbei. Vielfältige Krankheiten aufgrund von anhaltender Auszehrung, Ungeziefer, Wetterbedingungen sowie Epidemien schwächten die inhaftierten Frauen und führten oft zum Tod. So verursachte Krätze einen fürchterlichen Juckreiz und damit weitere Bakterieninfektionen ... Frauen und Mädchen, die unter den physischen und psychischen Belastungen zusammenbrachen, erhielten meistens keinerlei medizinische Behandlung. Das so genannte Revier, die Krankenstation im KZ, war eher ein Ort des Sterbens.

In Ravensbrück mussten fast alle dieser Frauen sinnlose Arbeiten verrichten. Nahezu ausnahmslos alle Frauen berichten darüber, dass sie täglich acht bis zehn Stunden Sand von einer Seite zur anderen schaufeln und in Wagen und Schubkarren transportieren mussten. Dabei wurden sie von Aufseherinnen und Aufsehern mit Drohungen und Prügel mit Schlagstöcken angetrieben.

Erst nach acht bis zwölf Tagen wurden im Zelt dreistöckige Etagenbetten aufgestellt, wobei in einem Bett drei bis vier Frauen schlafen mussten.

Die völlig ungenügende Nahrungsmittelversorgung, die unzureichende Kleidung und die desolaten sanitären Bedingungen verbunden mit harter körperlicher Arbeit und der Winterkälte führten zu Lausbefall und zu Krankheiten (Typhus, Ruhr, Erfrierungen) und Todesfällen.

Aus den bereits oben erwähnten Protokollen der DEGOB ist dazu folgendes zu entnehmen:

Klára Rosenberg erzählte am 12.Juli 1945: Nachdem wir in Ravensbrück ankamen, wurde uns alles weggenommen. In der größten Kälte froren wir in Sommerbekleidung in offenen Zelten. Das Grundwasser kam hoch und wir lagen im Wasser und im Schlamm. Das Essen war ungenießbar. Eine Woche später wurden in einem Teil des Zeltes Betten aufgestellt. Wir litten nicht nur unter dem Grundwasser, sondern von oben auch unter Regen und Schnee, der schmolz. Viele wurden krank, insbesondere der Durchfall war sehr häufig. Wir konnten nicht zur Toilette gehen, wir mussten unsere Bedürfnisse drinnen erledigen. Es gab überhaupt keine Möglichkeit sich zu waschen und zu trinken. Im Morgengrauen hatten wir einen 3-4-stündigen Appell. Dann wurden wir gezwungen, Zwangsarbeit zu leisten, die vollkommen überflüssig war, nur um uns zu quälen. Zum Beispiel mussten wir Sand hin und her schleppen, ohne stehen zu bleiben, sonst wurden wir geschlagen. Es gab einen SS-Mann, der seinen Hund immer auf uns hetzte.

Stella Rosenheck dazu in ihrer Aussage am 11.Juli 1945: Alle Eingetroffenen schliefen wir in einem Zelt, auf nassen Steinen, hatten keinen Abtritt. So verbrachten wir 5 Wochen. Wir wurden sehr geschlagen. Eine SS-Frau hatte einen Riemen, mit dem schlug sie auf uns los. Sehr oft rann Blut. Wir älteren, über 40 Jahre alten Personen wurden nicht zur Arbeit gefordert, bekamen später drei- bis vierstöckige Holzbetten. Später brachte man Polinnen und noch andere aus Auschwitz, wir schliefen zu dritt oder viert auf einem Strohsack, mussten den ganzen Tag im Bett liegen. Das war in der Dunkelheit, die im Zelt herrschte, eine Strafe. Wehe der, die sich hinauswagte! Sie bekam sofort Prügel. Die Jüngeren mussten in der größten Kälte Sand schaufeln. Es gab 330 g Brot, Rübensuppe mittags und auch abends Wassersuppe, sehr oft ungesalzen und auch ungenießbar. Bei den häufig vierstündigen Appellen froren Vielen die Füße ab, auch mir fehlt am linken und rechten Fuß je eine halbe Zehe.

Ilona György berichtete am 16.Juli 1945: Wir haben auf einem Hügel in Zelten gewohnt, es wurde uns alles weggenommen, uns ist nur ein Kleidungsstück geblieben. Wir wurden 02:30 Uhr geweckt, dann standen wir Appell, dann schaufelten wir Berge von Sand. Die SS-Wachen waren sehr schlimm, bei der Arbeit haben sie uns getrieben und geschlagen. In den ersten 12 Tagen lagen wir auf nackten Ziegelboden, es war kalt, die Zeltdächer waren mit Planen bedeckt, und als ein deutsches Komitee kam, brachten sie Betten. Mit 2.200 war der enge Raum überfüllt. Meine Füße waren erfroren, wir hatten eine Aufseherin namens Vanda, als ich ihr zeigte, dass ich mit solchen Füßen nicht arbeiten kann, hat sie mich geohrfeigt. Ich war sehr geschwächt, wog 35 kg, ich sah jeden Tag Menschen sterben und ich hatte das Gefühl, ich werde auch nicht lange durchstehen.

Von Ravensbrück nach Penig

Ab September durften alle Konzentrationslager Frauen-Außenlager gründen, wovon reichlich Gebrauch gemacht wurde. Gleichzeitig übernahm Buchenwald alle Frauen-Außenlager Ravensbrücks, die in seinem territorialen Einzugsbereich lagen, ausschließlich für Arbeiten in der Rüstungsindustrie. Bis Dezember 1944 kamen damit 7.131 Zwangsarbeiterinnen vom Verwaltungsbereich Ravensbrücks zu Buchenwald.

Für alle weiblichen Gefangenen veranlasste die Amtsgruppe D eine Neuordnung der Gefangenennummern. Das KZ Buchenwald legte im Zuge dessen fest, dass die Frauen, die nach Penig kommen würden, mit Nummern von 68.001 bis 69.000 versehen werden sollten.(Abbildung 3)

Ein oder mehrere Vertreter des Max Gehrt-Werkes suchten sich Anfang Januar 1945 in Ravensbrück aus ihrer Sicht arbeitsfähige Frauen selbst aus, um diese als Arbeitskräfte zu „mieten“. Dies bestätigen die Überlebenden Rózsa Deutsch und Aranka Pollák. In jedem Fall berichten einige Frauen, dass für die Zusammenstellung des Arbeitskommandos Penig eine Selektion stattfand, wahrscheinlich am 9.Januar 1945. Der Transport mit den ausgewählten Frauen ging am 10.Januar in (offenen) Viehwaggons in Richtung Penig. Die Fahrt dauerte zwischen drei und vier Tage. Auf dem Weg nach Penig litten die Zwangsarbeiterinnen unter Durst, Hunger und Kälte. Davon berichteten die Überlebenden im Juni/Juli 1945 gegenüber der DEGOB, wobei die Schätzungen bzgl. einiger Zahlen unterschiedlich sind.

Helen Stern (24.Juni 1945): In Ravensbrück war ich 3 Wochen lang, von hier wurde ich mit einem Transport - wir waren ca. 700 Personen - nach Penig gebracht. In den Waggons stand der Schnee bis zum Knie, und wir waren in einem Waggon ca. 140 Personen auf unglaubliche Weise zusammengedrängt. Es war uns in unseren dünnen Kleidern und Mäntelchen sehr kalt. Einige von uns hatten noch nicht mal einen Mantel, bloß ein dünnes Kleid. Wir haben als Reiseproviant ein wenig Brot und dazu etwas Fettstoff erhalten.

Stella Rosenheck (11.Juli 1945): Von Ravensbrück aus fuhren wir nach Penig. Vier Tage lang reisten wir, 50 Personen in einem Waggon; beinahe ohne Stroh saßen wir, ohne Decken und in Sommerkleidern auf Eis. Unser Wegzehr bestand aus 100 g Margarine und ebenso viel Streichwurst, sowie einem dreiviertel Kilo Brot. Klára Rosenberg (12.Juli 1945): Ich wurde Anfang Januar mit einem Transport nach Penig gebracht. Die Fahrt war schrecklich, weil wir in völlig offenen, mit Schnee und Eis bedeckten Wagen befördert wurden. Viele wurden sehr krank während der viertägigen Reise.

Aranka Pollák (17.Juli 1945): Dann kam einmal ein Fabrikant, der Arbeiterinnen suchte. Darum mussten sich alle Frauen zum Appell einstellen. Er hat von uns 500 Frauen ausgewählt, darunter auch mich. Dann hat man uns ins Bad geführt, wo wir kahl rasiert wurden. Es begann nachmittags um 4 Uhr. Das Baden und das Warten dauerte bis zum Morgen des anderen Tages. Und bis dahin mussten wir im Bad stehen. Wir durften uns weder niederlegen, noch setzen. Dann fuhren wir drei Tage lang. Man gab uns Lebensmittel zur Reise, diese haben wir den ersten Tag aufgegessen, dann hungerten wir zwei Tage lang.

Edith Himmler (9.Juli): Am 9. Januar wurden wir geduscht, es wurde uns alles wieder weggenommen und wir standen morgens von 2:30 Uhr bis 6 Uhr nackt im Freien in der Kälte. Dann bekamen wir ein Kleid und wurden einwaggoniert und nach 4 Tagen kamen wir in Penig an. Für unterwegs wurden uns 1/4 kg Brot und 100 g Margarine für die 4 Tage gegeben. Wir hatten kein Wasser und so haben wir Schnee gegessen.

Aranka Fried (12.Juli): Gegen Mitte Januar hat man uns in Waggons gebracht. Man hat uns 750 g Brot und 100 g Leberwurst Reiseproviant gegeben. Wir fuhren 3 Tage lang in Waggons, an denen Eiszapfen hingen. Ungeheuer viele haben sich erkältet, viele haben Lungenentzündung, Blasenkatarrh, Nierenerkrankungen und hauptsächlich Durchfall bekommen.

Margit Fleischner (9.Juli): Am 9. Januar wurden wir zur Arbeit selektiert und nach Penig gebracht. Wir fuhren 3 1/2 Tage. Unterwegs bekamen wir weder Essen noch Trinken. Es war sehr kalt und vielen Frauen sind die Füße erfroren.

5. Ankunft in Penig

Am 12. oder 13.Januar 1945 kam der Transport mit laut aktuellem Forschungsstand 700 Mädchen und Frauen direkt im Max Gehrt-Werk, das einen Gleisanschluss hatte, an.

Auf einer am 10.Februar 1945 erstellten Namensliste des Kdo (Kommandos) Penig sind 700 Häftlinge aufgeführt. Auf dieser Liste stehen zusätzlich drei Frauen, die nicht mit auf diesem Transport waren, aber am 18.Januar 1945 als „Pflegepersonal“ aus dem Häftlingspersonal der HASAG Leipzig-Schönefeld nach Penig überführt wurden. Es handelte sich dabei um die Zahnärztin Margit Kallós und die Pflegerinnen Erzsébet Balázs und Margit Schreiber.

Da im Zeitraum bis zum Erstellen dieser Liste, d.h. vor dem 10.Februar 1945, die drei Häftlinge Eda Katai am 19.Januar, Aranka Hoffmann am 25.Januar und eine bisher unbekannte Frau verstarben - die beiden erstgenannten Frauen wurden im Krematorium des Südfriedhofs Leipzig eingeäschert - wurden diese nicht mehr auf der Liste erfasst.

Die Frauen bekamen die Häftlingsnummern 68001 bis 68700.

Mit der Überführung in ein Arbeitslager erhoffte sich der Großteil der Frauen eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, was sich gemessen an den entsetzlichen Verhältnissen in Ravensbrück, allerdings nur marginal und anfänglich bestätigte. Beispielgebend sind zwei Zitate Überlebender aus Aussagen gegenüber der DEGOB aufgeführt.

Magda Szemere: In Penig angekommen wurden wir in eine Fabrik gebracht, wo wir eine angenehme Überraschung erlebten: Wir konnten uns endlich an einen Tisch setzen und wir haben etwas zu essen bekommen.

Klára Rosenberg: Wir hatten einen ziemlich guten Empfang in Penig. Später stellte sich jedoch heraus, dass es nur Heuchelei war, denn eine Woche später änderte es sich komplett und das Essen sowie die Behandlung wurden schlechter.

SS-Angehörige, unter denen auch sogenannte Donauschwaben waren, und Aufseherinnen des SS-Gefolges bewachten das Lager und die Frauen, außer auf dem Gelände der Firma Max Gehrt, wo ein Wachschutz dafür zuständig war, und waren für die Durchführung der Zähl- und Strafappelle zuständig. Die Aufseherinnen des SS-Gefolges, die im Frauen-KZ Ravensbrück ausgebildet wurden, hatten sicherlich den größeren Kontakt zu den gefangenen Frauen. Es gab eine Oberaufseherin, der die anderen Aufseherinnen unterstanden. Mitte Januar 1945 waren vier Unteroffiziere und 20 Mannschaftsdienstgrade für die Bewachung und Durchsetzung der Zwangsarbeit vom KZ Buchenwald abkommandiert. Am 20. März waren es schließlich acht Unteroffiziere und 32 Mannschaftsdienstgrade.

Ranghöchster SS-Offizier und damit „Kommandoführer“ war SS-Hauptscharführer Josef Ebenhöh. Dieser war zuvor schon im Außenlager Bad Langensalza als „Lagerführer“ für das KZ Buchenwald tätig und kannte sich daher mit den von der SS geforderten Leistungen von Zwangsarbeit aus.

Die Brotfabrik „Albin Teich" in Langenleuba-Oberhain, Zeitzeuge Werner Sparborth nannte diese „Teichmühle“ versorgte das Lager mit Brot. Wie der im September 1945 berichtende 70-jährige Peniger Geschirrführer Georg Reichenberger hatte die Firma Ernst von Koenig den Auftrag, dreimal täglich die Verpflegung vom Max Gehrt- Werk in das Barackenlager zu fahren.

Die Situation im Barackenlager in Langenleuba-Oberhain war bereits von Beginn an prekär. Das Lager war zu diesem Zeitpunkt nur teilweise bezugsfertig. Es fehlte ein Anschluss an die Wasserversorgung. Die Mädchen und Frauen fanden ihre neuen Unterkünfte verdreckt und voller Läuse vor, eine Hinterlassenschaft der Vornutzung durch rund 450 sowjetische Zivilarbeiter.

Denn bereits ab Sommer 1944 arbeiteten dort vor allem aus dem sowjetischen Oblast (Gebiet) Nowgorod stammende Frauen und Männer, die nach der deutschen Besetzung Lettlands dem Generalbezirk Lettland angehörten. Untergebracht waren etwa 450 Arbeiter_innen zunächst in dem Barackenlager in Langenleuba-Oberhain. Vor der Ankunft der jüdisch-ungarischen Zwangsarbeiterinnen am 12./13.Januar 1945 wurde ein Teil dieser sowjetischen „Zivilarbeiter_innen" in das ehemalige Gasthaus „Grüne Linde“ an der Chemnitzer Straße 71 überführt, ein anderer Teil ins Zweigwerk Richard Berger in Herrnsdorf bei Wolkenburg. Die vorliegenden Ausweise „Nur für Kriegsflüchtlinge aus dem Gebiet der UdSSR“ lassen vermuten, dass es sich bei diesen lettischen Arbeiter_innen um Freiwillige handelt. Möglicherweise flüchteten sie vor der zweiten Besetzung durch die Sowjetunion (die erste Okkupation erfolgte im Sommer 1940), denn die Rote Armee überschritt im Juni 1944 die lettische Landesgrenze. Im Max Gehrt-Werk arbeiteten aber auch Menschen aus Kroatien und Italien.

Aranka Pollák am 17.Juli gegenüber der DEGOB: In Penig haben wir in Baracken Platz gefunden, die durch frühere Bewohner schmutzig und lausig waren. Wir mussten auf abgenutzten, verlaustem Stroh liegen, und in wenigen Minuten erstürmten uns 1.000 Läuse.