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Tochter einer Überlebenden des Frauen-KZ-Außenlagers Penig zu Gast

Am 3. und 4. Juli 2022 war Éva Tamás, Tochter von Klára László (später Tamás), einer Überlebenden des Frauen-KZ-Außenlagers Penig, zusammen mit ihrer Freundin Dr. Margit Köves in Penig zu Gast. Éva wollte sich mit ihrem Besuch über die Geschichte des Lagers informieren und die historischen Orte anschauen. Bei diesem Wunsch unterstützte unsere Bürger_inneninitiative Éva sehr gern.

Beim gemeinsamen Abendessen berichtete sie über ihre Familiengeschichte und zeigte uns Familienfotos aus verschiedenen Lebensphasen ihrer Mutter. Éva wohnt in Budapest in einem 72 m² großen Haus mit kleinem Garten, welches ihr Großvater Jószef 1942 zur Hochzeit ihrer Mutter Klára und deren ersten Ehemann Andor bauen ließ. Ihr Großvater arbeitete als Direktor in einer Chemiefabrik, wurde dann zur Zwangsarbeit einberufen, an deren Folgen er 1944 oder 1945 im Alter von 56 Jahren starb. Ihre Großmutter Váleria war bereits 1938 mit 42 Jahren an einer Leberkrankheit verstorben.

Andor László (* 1912), der erste Ehemann von Évas Mutter Klára, kam beim Einsatz im Zwangsarbeitsbataillon der Ungarischen Armee, zu dem jüdische Männer gezwungen waren, Anfang 1943 an der Ostfront ums Leben, wovon Klára jedoch erst nach dem Ende des Krieges erfuhr.

Klára wurde am 02.05.1918 in Selmecbánya (heute Banská Štiavnica/Slowakei) geboren und schloss die Schule mit Abitur ab, durfte jedoch aufgrund des Numerus clausus (er beschränkte die Zahl der Jüdinnen und Juden, die studieren durften auf 6 %) nicht studieren. Sie absolvierte deshalb auf Rat ihres Vaters eine Berufsausbildung als Näherin.

Bis zu ihrer Hochzeit arbeitete sie auch in diesem Beruf. Im Frühjahr 1944, nachdem Ungarn von den Deutschen besetzt wurde, musste Klára, wie nahezu alle in Budapest lebenden Jüdinnen und Juden in ein sogenanntes Sternenhaus umziehen, wo sie sich mit Bekannten eine Wohnung teilen musste. Anfang November wurde sie von Pfeilkreuzlern (Anhänger der faschistischen Partei in Ungarn) und der Gendarmerie aus der Wohnung geholt und in die Ziegelfabrik in Óbuda gebracht. Von dort wurden die gesammelten Jüdinnen und Juden nach Deutschland deportiert. Klára wurde in einem Viehwaggon in das Frauen-KZ Ravensbrück transportiert, wo sie am 9.Dezember 1944 ankam.

In Ravensbrück wurde sie mit bis zu 2.000 anderen Frauen in einem Zelt völlig ohne Einrichtung untergebracht. Später stellte man dort noch dreistöckige Betten auf, wo bei bis zu drei Frauen in einem Bett schlafen mussten. Klára blieb in diesem Zelt etwa bis zum 10.01.1045 ehe sie im Rahmen einer Selektion für die Zwangsarbeit in Penig ausgesucht wurde. In Penig kam sie mit 699 anderen Frauen wahrscheinlich am 13.01.1945 an.

Klára wurde mit der Auflösung des Außenlagers Penig am 13.April 1945 auf den sogenannten Todesmarsch geschickt. Auf dem Weg nach Chemnitz gelang ihr kurz vor Chemnitz die Flucht zusammen mit einer Freundin aus dem Peniger Außenlager. Die beiden Frauen fanden Zuflucht bei einer Familie Lorenz, die am Stadtrand von Chemnitz lebte. Für Lebensmittel und Unterkunft nähten sie für die Familie und deren Nachbarschaft Kleider.

Im Juni oder Juli 1945 kehrten die beiden Frauen mit dem Zug nach Budapest zurück.

Klára wartete vergebens auf die Rückkehr ihres Mannes Andor und ihres Vaters József. Nach der Todesmeldung von Andor heiratete sie 1947 Béla Tamás (* 1907), der den Einsatz in einem der Zwangsarbeitsbataillone überlebt hatte und bereits im November 1944 nach Budapest zurückgekehrt war. Um seine erste Frau und seinen noch nicht einmal einjährigen Sohn vor den Flugzeugangriffen der Roten Armee auf Budapest in Sicherheit zu bringen, hatte dieser die Beiden im Frühjahr 1944 zu den Schwiegereltern auf das Land gebracht, etwa 50 km von Budapest entfernt. Da die Jüdinnen und Juden außerhalb Budapests zuerst deportiert wurden, betraf dies auch seine erste Frau, seinen Sohn und seine Schwiegereltern, die alle im Mai/Juni 1944 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz verschleppt und wahrscheinlich dort sofort ermordet wurden.

Klára, die bis zur Heirat mit Béla wieder als Näherin arbeitete, wurde 1948 Mutter eines Sohnes Pál und 1950 einer Tochter Éva.

Die Familie lebte zusammen mit der Mutter des ersten Ehemanns von Klára (Ilona László) und dem Vater ihres zweiten Mannes wieder in ihrem Haus in Budapest. Béla arbeitete u.a. im ungarischen Konsulat in Bonn und verstarb 1972.

Klára, die einen ausgeprägten Familiensinn hatte, kümmerte sich zeitlebens um das Haus und die Bedürfnisse der Familienmitglieder und starb 2018 im Alter von 100 Jahren.

Sohn Pál studierte Soziologie und arbeitete in der ungarischen Akademie der Wissenschaften, lehrte aber auch als Dozent an der Lomonossow-Universität Moskau und in Kasachstan.

Tochter Éva studierte Ökonomie und arbeitete im Außenhandel und in einer Handelsbank. Sie hat eine Tochter und drei Enkel, die alle in Israel leben.

Am zweiten Tag des Besuchs von Éva und Margit zeigten wir unseren Gästen einen Teil unserer Forschungsergebnisse. Sie zeigten sich einerseits von der Arbeit unserer Initiative beeindruckt, vor allem darüber, dass noch viele Dokumente zur Geschichte des Lagers auffindbar waren. Andererseits fanden sie die bürokratische detaillierte Dokumentation der Verbrechen, die die Nationalsozialisten durchführten, erschreckend. Im Anschluss an die Vorstellung der Dokumente besichtigten Éva und Margit das Gelände des ehemaligen Max Gehrt-Werks, an denen Évas Mutter Zwangsarbeit leisten musste und ließen es sich nicht nehmen, den etwa 4 km zum Außenlager in Langenleuba-Oberhain Weg zu Fuß zurückzulegen, den Klára täglich zweimal gehen musste. Bei ihrem sehr herzlichen Abschied bedankten sich Beide für die ehrenamtliche Erinnerungsarbeit unserer Initiative.

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