Aufarbeitung der Lagergeschichte

Eine erste Form der Aufarbeitung der Geschichte des KZ-Außenlagers Penig hat sich nicht in Deutschland, sondern im ungarischen Budapest vollzogen. Hier nahm die DEGOB im Zeitraum von Juni bis August 1945 insgesamt 25 Berichte ehemaliger Zwangsarbeiterinnen des Außenlagers Penig auf, die aufgrund ihrer zeitlichen Nähe zu den Geschehnissen eine wichtige Quelle für die heutige Forschung darstellen.

In Deutschland vollzog sich im September 1945 eine erste Auseinandersetzung mit dem KZ-Außenlager Penig, als die Leichen der vierzehn im Lager verstorbenen und auf dem Lagergelände verscharrten Frauen erst exhumiert und anschließend auf den Friedhof in Langenleuba-Oberhain umgebettet wurden. Diese Aufgabe musste im Sinne einer ideologischen Umschulung und der Verdeutlichung der im Nationalsozialismus begangenen Verbrechen von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern ausgeführt werden. Von der NSDAP-Ortsgruppe Langenleuba-Oberhain wurden u.a. die Lehrer Fritz Richter und Herbert Weiße, der Schneidermeister Walter Ludwig sowie der Schuhmacher Albert Groß angewiesen, die Exhumierung durchzuführen.

Das Lagergelände selbst ist nach dem 15.April 1945 für eine kurze, nicht zu benennende Zeit wahrscheinlich als Internierungslager für deutsche Kriegsgefangene genutzt worden. Anschließend wurden die Bauten in den darauffolgenden Monaten durch die einheimische Bevölkerung abgerissen und als Baumaterial wiederverwendet. Möglicherweise wurden auch einige Baracken im Dorf für eine weitere Verwendung wieder aufgebaut.

Das Firmengelände des Max Gehrt-Werks in Penig, auf dem die Frauen Zwangsarbeit leisten mussten, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin für wirtschaftliche Zwecke verwendet. Die Maschinen und Geräte des Werkes wurden 1947 als Reparationsleistung, zu der Deutschland gegenüber den Alliierten verpflichtet wurde, durch die sowjetische Besatzungsmacht demontiert und in die Sowjetunion gebracht. Der Betrieb wurde als Max Gehrt KG Rohstoffgroßhandel weitergeführt. In einem Gebäudeteil betrieb bis etwa 1949 ein Herr Berthold eine Marmeladenfabrikation. Im Jahr 1957 übernahm der Volkseigene Erfassungs- und Aufkaufbetrieb (VEAB) das Gelände und nutzte es bis zur Vereinigung beider deutscher Staaten im Jahr 1990. Bis Mitte der 1960er Jahre wurden während der VEAB-Zeit weitere Gebäudeteile angebaut. Nach 1990 wechselten die Eigentümer_innen und Betreiber_innen mehrfach. So nutzte die Altenburger Kraftfutterwerk und Getreidehandel (ALKA) GmbH den Komplex. Ab 2008 standen die Gebäude leer und der Großteil der Bauten wurde 2011 abgerissen. Über all die Jahrzehnte hinweg gab es an diesem Ort keine Form der Erinnerung an die hier stattgefundene nationalsozialistische Zwangsarbeit.

Mit dem in der unmittelbaren Nachkriegszeit erfolgten Abriss der Baracken des KZ-Außenlagers Penig und der Ende der 1960er Jahre erfolgten Errichtung der Anlage eines örtlichen Reitsportvereins auf dem ehemaligen Lagergelände verschwand auch dieser historische Erinnerungsort zunehmend aus dem kollektiven Gedächtnis der Bevölkerung vor Ort.

Um diesem Vergessen wenigstens ein stückweit entgegenzuwirken, wurde 1967 ein Gedenkstein mit der Inschrift „Die Opfer mahnen. Außenstelle des KZ Buchenwald 1942–1945“ am ehemaligen Standort des Außenlagers eingeweiht. Warum darauf zunächst die Jahre „1942–1945“ angegeben wurden, konnte bislang nicht herausgefunden werden. Mittlerweile wurde die Jahresangabe gemäß neuerer Rechercheergebnisse korrigiert, sodass dort nun „1944-1945“ zu lesen ist.

Hinzu kommt, dass bereits seit 1957 in regionalen wie auch einigen überregionalen Zeitungen der DDR die Geschichte des KZ-Außenlagers Penig gelegentlich aufgegriffen wurde.

Bis heute sind insgesamt mehr als drei Dutzend Artikel zu dieser Thematik erschienen. Während die ersten Artikel noch ganz in der ideologischen Abgrenzung zur vermeintlich faschistischen Bundesrepublik standen, widmeten sich die Artikel ab den 1980er Jahren vermehrt der Erforschung des Ortes sowie den Opfern und Überlebenden.

Der örtliche Schuldirektor Horst Junghanns Kontakt zu den ehemaligen Zwangsarbeiterinnen Rózsa Deutsch und Nora Stark auf, die 1981 und 1988 Penig und Langenleuba-Oberhain besuchten. Abgesehen von diesem Engagement eines Einzelnen wurde es im Zeitraum der 1980er, 1990er und beginnenden 2000er Jahre auf politischer bzw. öffentlicher Ebene versäumt, sich mit der Geschichte des KZ-Außenlagers Penig auseinanderzusetzen und entsprechende Formen des Erinnerns und Gedenkens zu entwickeln.

Nach der politischen Wende nahm der Heimat- und Geschichtsverein Penig e.V., insbesondere Roland Albrecht und Klaus Oehmig sich diesem Thema immer wieder an. Mit der Übergabe der gesammelten Dokumente an unserer Initiative war Roland Albrecht im Jahr 2014 Startgeber für unsere Anstrengungen.

Mit der 2001 eröffneten Ausstellung „Vergessene Frauen von Buchenwald. Die Ausbeutung weiblicher Häftlinge in der Rüstungsindustrie“ widmete sich zudem die Gedenkstätte Buchenwald dem Themenkomplex jener Zwangsarbeit, die von Frauen in KZ-Außenlagern durchgeführt werden musste. Allein der Titel der Ausstellung verweist jedoch schon auf ein Problem, das bis dahin bestand: Nur wenig war zur Jahrtausendwende noch bekannt über die Frauen-Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Folglich war es wichtig, dass beispielsweise Rózsa Deutsch als Überlebende des KZ-Außenlagers Penig an der Entstehung der Ausstellung mitwirkte. 2005 arrangierte das Mémorial du Maréchal Leclerc de Hauteclocque et de la Libération de Paris - Musée Jean Moulin eine französischsprachige Überarbeitung dieser Ausstellung, die unter dem Titel „Les femmes oubliées de Buchenwald“ gezeigt wurde und einen dazugehörigen Ausstellungskatalog umfasst, der auch einige wenige Informationen über das Frauen-Außenlager Penig enthält.

Die Geschichte des KZ-Außenlagers Penig wird seit Ende 2014 akribisch von der Bürger_inneninitiative Gesicht zeigen – Netzwerk für demokratisches Handeln aufgearbeitet. In diesem Zusammenhang begann eine intensive Suche nach Überlebenden bzw. deren Nachkommen, nach Zeitzeug_innenaussagen und Dokumenten. Mit Hilfe der Archive von Yad Vashem (Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust), des United States Holocaust Memorial Museums und des Arolsen Archives International Center on Nazi Persecution sowie diversen Familienstammbaumverzeichnissen konnten auf Grundlage der vorliegenden Zugangsliste zahlreiche Unterlagen gefunden werden. Diese wurden nach und nach ausgewertet und der Öffentlichkeit durch regelmäßige Veranstaltungen, Vorträge, Veröffentlichungen in der Presse und über Social Media-Kanäle zugänglich gemacht.

Im Sommer 2016 besuchte auf Einladung der Bürger_inneninititive der renomierte englische Lyriker und Buchautor George Szirtes sowohl Penig als auch das ehemalige Lagergelände. In einem öffentlichen Bürger_innenforum berichtete Szirtes über seine Lebensgeschichte und die seiner Mutter Magda Nussbächer. Sie musste als junge Frau Zwangsarbeit in Penig leisten und hatte infolge des dort erlittenen Traumas 1975 einen Suizidversuch unternommen, in dessen Folge sie gestorben ist. Im Rahmen eines in der Aula des Freien Gymnasiums Penig stattgefundenen Podiumsgespräches beantwortete Szirtes auch den dort lernenden Schüler_innen zahlreiche Fragen. In diesem Zusammenhang spielte ebenso das literarische Schaffen des Schriftstellers eine entscheidende Rolle, da Szirtes in einigen seiner Werke den Holocaust allgemein und das KZ-Außenlager Penig speziell thematisiert. Bereits mit seinem Poem „The Penig Film“, welches im September 2009 im erschienenen Buch„The Burning of the Books and Other Poems“ veröffentlicht wurde, verarbeitete Szirtes den kurzen Ausschnitt über das Lager Penig aus dem einstündigen Film mit dem Titel „Nazi Concentration Camps“ aus dem Jahr 1945 künstlerisch. Dem folgte die Biografie seiner Mutter „The Photographer at sixteen“, veröffentlicht im Januar 2019 bei MacLehose Press.

Die Bürger_inneninitiative führte darüber hinaus zusammen mit Schüler_innen des Freien Gymnasiums Penig und der Peniger Friedrich-Eduard-Bilz-Oberschule mehrfach Projekttage zur Geschichte des Lagers durch. Hierbei besichtigten Mitglieder der Initiative zusammen mit den Schüler_innen u.a. das ehemalige Lagergelände.

Am 17.November 2017 wurde im Rahmen einer von der Bürger_inneninitiative organisierten Festveranstaltung eine durch sie selbst erarbeitete und gestaltete Informationstafel eingeweiht, die sich am ehemaligen Standort des Außenlagers neben dem seit 1967 bestehenden Mahnmal befindet. Die im Gemeinderaum der Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Langenleuba-Oberhain durchgeführte Veranstaltung umfasste u.a. einen Vortrag zur Geschichte des Lagers sowie Klezmer-Livemusik der Band Caputocliques.

Am 1.September 2020, dem Weltfriedenstag, wurde diese Tafel durch die Bürger_inneninitiative Gesicht zeigen um eine Informationstafel erweitert, die sich am Ort der einstigen Zwangsarbeit, d.h. dem ehemaligen Gelände des Max Gehrt-Werks an der Uhlandstraße/Am Pfaffenbusch in Penig befindet. Zudem lud die Initiative an diesem Tag dazu ein, im Gedenken an die ehemaligen Zwangsarbeiterinnen den Weg vom damaligen Werk bis zum ehemaligen Lager in Langenleuba-Oberhain zu gehen. Diesen Weg mussten die Mädchen und Frauen von Januar 1945 bis April 1945 tagtäglich, zum Teil bei bitterster Kälte, hin- und zurücklaufen. Im Anschluss an diesen Weg des Gedenkens fand eine Gedenkveranstaltung am 1967 errichteten Mahnmal statt. Untermalt von traditionellen jüdischen Liedern erinnerte die Bürger_inneninitiative an das Außenlager und die Zwangsarbeit mit einem Kurzvortrag zur Lagerhistorie und durch das Verlesen eines bewegenden Zeitzeugenberichts einer Überlebenden. Beendet wurde die Veranstaltung mit dem Niederlegen von Blumen und Steinen.

Am 8.August 2021 wurde am Ort der Bestattung auf dem Friedhof Langenleuba-Oberhain eine von der Bürger_inneninitiative erarbeitete Gedenktafel aufgestellt. Auf ihr finden sich zehn Namen der insgesamt 14 im Lager verstorbenen sowie verscharrten und im September 1945 dorthin umgebetteten Frauen wieder. Die genaue Identität der verbleibenden vier verstorbenen Frauen konnte bislang nicht ermittelt werden.

Zuvor ist bereits im Mai 2019 diese von Gesicht zeigen erarbeitete Website www.erinnerungsort-penig.de online gegangen, die mit Blick auf die Angehörigen der ehemaligen Zwangsarbeiter_innen mittlerweile auch in ungarischer Sprache abrufbar ist. Die Internetseite vereint Informationen rund um den Bau des KZ-Außenlagers Penig, die dort wie auch im Max Gehrt-Werk herrschenden Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Befreiung des Lagers sowie biografische Angaben zu einigen der betroffenen Frauen. Darüber hinaus stehen auf dieser Website in der Rubrik „Pädagogisches Material“ Unterrichtsvorschläge und Arbeitsblätter zum kostenlosen Download für die Thematisierung des KZ-Außenlagers Penig im Unterricht bereit.

Mit der Kombination aus Zeitungsartikeln wie auch Social Media-Beiträgen, Vorträgen und Projekttagen, Informations- bzw. Gedenktafeln sowie einer eigenen Website möchte die Bürger_inneninitiative Gesicht zeigen – Netzwerk für demokratisches Handeln ihren eigenen Anspruch umsetzen, die Geschichte des KZ-Außenlagers Penig nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und an die 703 hier eingesperrten Mädchen und Frauen zu erinnern und ihrer zu gedenken.